BH


Römische Landnahme
Die Besiedelung der ländlichen Gebiete - Villa rustica

Die Pfalz scheint in der caesarischen Periode von den Römern unbeachtet geblieben sein.  17 v. Chr. wird eine Brücke über die Mosel gebaut und in Trier beginnt die städtische Besiedlung. Ca. 13. v. Chr. werden mit dem Legionslager im heutigen Mainz römische Legionen an den Rhein verlegt. In unserer Region entstehen 10 v. Chr. in Speyer und ca. 43 n. Chr. in Rheingönheim nachweislich ein Kastell. Dieser Zeitraum darf auch als Beginn der Romanisierung der Pfalz angesehen werden. In einem besetzten Gebiet überlässt man den Aufbau der lebenswichtigen Infrastruktur nicht dem Zufall. Es ist daher davon auszugehen, dass die Besiedlung der ländlichen Gebiete staatlich gesteuert wurde.

Belegt ist die bewusste Ansiedlung von loyalen germanischen Militärsiedler im pfälzischen Raum. Zu deren Pflichten auch der Kriegsdienst bei den Auxiliartruppen (nicht römische Hilfstruppen) gehörte. Als wichtigste Gruppen sind die Triboker, Nemeter und Vangonen zu nennen. Im gut erforschten "Nemeterbereich" um Speyer lässt sich erkennen, dass eine Vielzahl der römischer Landgüter von diesen Germanen gegründet wurde. Die ältesten germanischen Funde in Speyer und Mutterstadt reichen in das erste Jahrzehnt v. Chr. zurück, so dass mit der An- bzw. Umsiedlung möglicherweise schon zwischen 10 und 8 v. Chr. begonnen wurde (vgl. Bernhard, 1990, 59). 
Aus wie vielen Menschen diese multikulturelle Gesellschaft (Kelten, Germanen und Römern) bestand, kann natürlich nicht mehr geklärt werden. Schätzungen von H. Bernhardt für die „Civitas Nemetum“, also für die Vorderpfalz, gehen in ihrer Blütezeit von höchstens 50 000 Stadt- und Landbewohnern aus (vgl. Moersch, 1987, 48). Was aus heutiger Sicht nicht gerade für eine dichte Besiedlung in römischer Zeit spricht.

Die Besiedlung wurde durch gezielte Maßnahmen wie planmäßiger Vermessung (Kataster) und Landzuweisungen unterstützt. Auf dieses deuteten zumindest die häufig wiederkehrenden regelmäßigen Abstände der Hofanlagen hin, die man durch Luftbilder und Begehungen lokalisiert hat. In Teilgebieten lassen sich Abstände von 300 m – 1000 m und bei großen Hofanlagen auch 2000 m nachweisen. Auf Übersichtskarten wirken diese so entstehenden Siedlungsketten wie die aufgereihten Perlen einer Kette. Orientierung boten Flüsse, Bäche, Straßen oder markante Geländepunkte. Andererseits lässt sich am Beispiel der villa rustica in Wachenheim belegen, dass sich die Römer natürlich auch an einer schon vorhanden (keltischen) Landeinteilung orientiert haben. So konnte man auf dem Gutshofgelände eine vorrömische Siedungskontinuität von der Jungsteinzeit über die Bronzezeit bis zur jüngeren Bronzezeit nachweisen. Abhängig vom Gelände sind unterschiedliche Methoden der Landeinteilung in quadratische oder rechteckige Parzellen bekannt (vgl. Jütting, 110f; Roller, 1990, 271).   
Abb.: Bernhard, 2003, 27.

Zumindest im vorderpfälzischen Raum, mit seinen nahezu ebenen Flächen, ist dieses Vorgehen anzunehmen. Abhängig von der Bodenqualität, der Nutzung und den finanziellen Möglichkeiten ergaben sich unterschiedliche Betriebsgrößen. Als Anhaltswert können Betriebsflächen zwischen 50 ha und 125 ha angenommen werden. Die Grundstücke wurden anschließend im Auftrag der römischen Verwaltung an die umgesiedelten Germanen, an Militärveteranen und Einheimische, wie auch an Personen aus dem militärischen und zivilen Verwaltungsapparat verpachtet. Das römische Bürgerrecht vorausgesetzt, konnten die Landgüter später auch gekauft werden.

Größe und Strukturierung der römischen Hofbezirke

Kernelement einer römischen Siedlungsfläche war in der Regel ein umgrenzter, abgeschlossener Hofbezirk, mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie Anlagen mit unterschiedlichen Funktionen. Da die Wasserversorgung von zentraler Bedeutung war, lag er bevorzugt in direkter Nähe zu Wasserläufen oder Quellen. Sicher war auch die Anbindung an ein Straßennetz eine Option für eine bestimmte Hoflage.

Die Größe, dieser durch einen Zaun, Hecke – später auch durch eine Mauer - eingefassten Hofbezirke, schwankt zwischen 0,6 ha und 10 ha. (vgl. Roller, 1990, 272). Die architektonische Vielfalt war groß. Man kennt Höfe, bei denen alle wichtigen Wirtschafts- und Wohngebäude zu einem einzigen Baukörper zusammengefasst sind. Die verbreitetste Struktur war aber die Aufteilung in funktional getrennte einzelne Gebäude. In der Regel bestand ein durchschnittlicher Hof aus einem Herrenhaus und weiteren Neben- und Wirtschaftsgebäuden.

Ein Badekomplex, als Kennzeichen römischer Kultur, ist häufig nachweisbar. Er konnte im Herrenhaus integriert oder auch in einem eigenen Gebäude untergebracht sein. Beachtet man die Verteilung der Gebäude in dem Hofareal, so lassen sich zwei Typen unterscheiden.

 Am weitesten verbreitet ist die Form, bei der die Gebäude auf dem ganzen Hofareal verteilt errichtet sind. Beim anderen Typus liegen die Neben- und Wirtschaftsgebäude entlang der Hofmauer oder sind parallel angeordnet (vgl. Roller 1990, 272). Insbesondere bei großen Anlagen ist häufig auch der Herrenhausbereich durch eine Mauer von den Wirtschaftsgebäuden getrennt. Hinter der Trennmauer, in der "pars rustuca", lebten und arbeiteten die Untergebenen in eher bescheidenen Verhältnissen.

 


Unter günstigen Bedingungen lassen sich in Luftbildern die Steinfundamente dieser Gebäude noch relativ gut als "negative Bewuchsmerkmale" erkennen.
Man kann davon ausgehen, dass zu jeder villa rustica auch ein Hofheiligtum und ein in der Nähe befindlicher eigener Bestattungsplatz gehörte. (vgl. Bernhard, 1971, 1176)

 

Die landwirtschaftliche Fläche wurde als Blockflur um den Hofbezirk angeordnet. Im Grunde ist von einer Mischwirtschaft zu Eigenversorgung mit Schwerpunktbildung auszugehen. Ackerbau (Getreide), nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft, war ein Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Überschussproduktion. Auch Viehzucht, Waldwirtschaft und Weinanbau, wurde im großen Stil betrieben. Nimmt man die Größe und Architektur der Herrenhäuser als Maßstab, müssen eine Vielzahl der Besitzer damit  zu einem erheblichen Reichtum gekommen sein. 

Grundsätzlich lassen sich die landwirtschaftlichen Betriebe in drei Typen einteilen :

 

 


1. Kleine Einheiten – vergleichbar mit einem Bauernhof - die als Familienbetriebe mit ggf. einer geringen Anzahl von Beschäftigten geführt wurden.

 



2. Mittlere und große Einheiten - mit aufwendig gebauten Herrenhäusern – die vom Gutsherrn und seiner Familie bewohnt wurden. Dazu gehörte eine große Hoffläche mit den entsprechenden Wirtschafts- und Nebengebäuden u. a. für eine nicht unerhebliche Anzahl von Arbeitskräften (Sklaven), und natürlich eine entsprechend große landwirtschaftliche Betriebsfläche.

 



3. Landgüter in der Funktion als repräsentativer Landsitz, der nicht vom Gutsbesitzer, sondern von einem Verwalter geführt wurde (vgl. Günther, 1993,117f) .

 

 

Die Frage, wie viele villae rusticae zur römischen Zeit in der Pfalz bestanden haben lässt sich nicht beantworten. Schätzungen gehen aber für die Vorderpfalz von ca.1000 Landgüter unterschiedlicher Größe und Bauart aus. (vgl. Moersch, 1987, 48)

Architektur der Herrenhäuser 

Wichtigstes Merkmal für die Einteilung dieser Landgüter ist in der Regel der Bautyp des Herrenhauses bzw. Haupthauses und der damit verbundenen überbauten Grundfläche. Diese reicht von einem Kleinbauernhaus mit 100 m² bis zu einer Prunkvilla mit einer überbauten Fläche von 2000 – 4000 m² und einer bis zu 150 m langen Frontfläche.
Mehrheitlich lassen sie sich aber auf einen Bautyp zurückführen: Einem quadratischen oder rechteckigen zentralen Raum oder Hof ist ein nach der Fassade hin offener Säulengang (Portikus) angebaut, der an den beiden Ecken durch zwei vorspringende Eckbauten (Risaliten) eingefasst war. Diesen Villentyp bezeichnet man auch als Eckrisalitvilla mit Frontportikus.      

Die Gebäude der ersten Hofanlagen und Herrenhäuser entstehen um 20/30 n. Chr. in reiner Holzbauweise. Ab dem 2. Jahrhundert  beginnt man die Holzbauten durch Steinbauten zu ersetzen. Gelegentlich lassen sich bei Ausgrabungen unter den Steinfundamenten der Herrenhäuser die Pfostenlöcher eines hölzernern oder steinernen, überbauten Vorgängerbaus erkennen. Wobei man annehmen darf, dass das Überbauen der Holzbauten nicht das generelle Verfahren war. Hofanlagen in Holzbauweise lassen sich, im Gegensatz zu Steinbauten, archäologisch kaum feststellen. Es ist daher auch nicht geklärt, wie viele Höfe in Holzbauweise weiterbestanden haben oder auch weiterhin aus Kostengründen nach diesem Prinzip gebaut wurden. Insbesondere nach den verheerenden Germaneneinfällen im dritten Jahrhundert lassen sich teilweise größere An- und Umbaumaßnahmen feststellen, deren Architektur das Bild einer römischen "Villa" bis heute geprägt haben und den Wohlstand der Besitzer in dieser Zeit belegen. Die politischen Umwälzungen und Konflikte im 4. und 5. Jahrhundert markieren das finale Ende der Römer in der Vorderpfalz.

Literatur:

Baatz, Dietwulf: Die Römer in Hessen, Stuttgart, 1982.
Bernhard, Helmut: Strukturen 2001, in:. Archäologische Denkmalpflege Amt Speyer. Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2001, Rahden/Westf, 2003.
Bernhard, Helmut: Fundkarten zur Römerzeit, in: Alter, W, Pfalzatlas. Textband 2, Speyer, 1971.
Bernhard, Helmut: Die römische Geschichte in Rheinland-Pfalz, in: Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Günter, Rosmarie: Das Mannheimer Römerbuch. Römischer Alltag in unserer Region. Ein Lesebuch, Mannheim, 1993.
Heiligmann, Jörg: Rom und seine germanischen Nachbarn, in: Die Alamannen, Hrsg.: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Stuttgart, 1997.
Moersch, Karl: Geschichte der Pfalz. Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert, Landau/Pfalz, 1987.
Petrovszky, Richard: Die Pfalz in römischer Zeit, in: Die Römerzeit. Speyer. Historisches Museum der Pfalz, Speyer 1994.
Roller, Otto: Wirtschaft und Verkehr, in: Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Sprater, Friedrich: Die Pfalz in der Vor- und Frühzeit, Speyer, 1948.

 


www.archaeoflug.de