Prospektion einer römischen Siedlungsstelle bei Flonheim

Projekt: Geoelektrische Prospektion bei Flonheim (Luftbild)

Archaeoflug (archaeoflug.de) ist ein Zusammenschluss dreier ehrenamtlicher Mitarbeiter der GDKE Speyer. Im Zentrum der nunmehr 15-jährigen Tätigkeit stehen: Luftbildarchäologie, geoelektrische Prospektion und digitale Rekonstruktion. 2014 wurde Archaeoflug mit selbstentwickeltem Geoelektrik-Equipment auch in Rheinhessen tätig. Erste Hinweise auf Reste eines bisher weitgehend unbekannten Bodendenkmals bei Flonheim fanden sich Mitte September 2012 auf Google Earth. Bei den Vorbereitungen für die luftbildarchäologische Prospektionskampagne 2013 entdeckte der Verfasser auf einem in süd-südöstlicher Richtung geneigten Hang des Wiesbachtals mehrere negative Bewuchsmerkmale, die auf mögliche Fundamentstrukturen und Wasserleitungssysteme hinwiesen.

Der Anfangsverdacht konnte durch weitere Luftbildbefunde aus der CD-ROM-Serie des Landesamtes für Vermessung und Geoinformationen Rheinland-Pfalz: „Rheinland-Pfalz in farbigen Luftbildern“, CD-Nr. 40 bestätigt werden. Die vermuteten Mauerstrukturen fanden sich an gleicher Position und waren zudem umfangreicher. Mutmaßliche Leitungssysteme waren hingegen kaum zu erkennen.
Ende September 2012 erfolgte eine Nachfrage bei Herrn PD Dr. habil. Peter Haupt von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Peter Haupt prospektiert luftbildarchäologisch regelmäßig diese rheinhessische Region und ist über den aktuellen Forschungsstand bestens informiert. Nach seinem Kenntnisstand fand die Fundstelle bis zu diesem Zeitpunkt keine Beachtung.

Im Dezember 2012 erfolgte eine erste Begehung des Geländes. Die Annahme, dass es sich bei den beobachteten Strukturen im Luftbild um römische Baustrukturen handelt, konnte durch Lesefunde bestätigt werden. Überdies wurde eine Fundkonzentration im Bereich der Luftbildstrukturen festgestellt. Erwähnenswerte Fundstücke sind (Abb. 1): Ziegelbruch, darunter auch Tegulae (ohne Abb.), Fragmente von heller und dunkler Gebrauchsware (1 u. 4), Terra Sigillata (2), div. Gefäßböden (3), Glasfragmente (5), Nägel/Gürtelschnallen (6) und mehrere Münzen (7).

Abb. 1: Römische Lesefunde von der Siedlungsstelle bei Flonheim.

Mit dem Ziel, weitere Kenntnisse zum archäologischen Umfeld der neu entdeckten Siedlung zu erhalten, wurde die Fundstelle in das Befliegungsprogramm für das folgende Jahr aufgenommen. Leider erwies sich das Jahr 2013, wegen der hohen Niederschläge des Frühjahres, für die Luftbildarchäologie als ein sehr schlechtes, sodass in diesem Jahr keine weiteren Erkenntnisse hinzukamen.
Die erste erfolgreiche Befliegung durch Archaeoflug erfolgte im Folgejahr 2014. Die Fundstelle wurde im Laufe der jährlichen Sommerprospektion mit beachtlichen Ergebnissen beflogen. In einem ca. 45 m breiten Weizenstreifen konnten Strukturen auf einer Strecke von über 150 m nachgewiesen werden. Damit wurde erstmals die auffällig große Ausdehnung der Fundstelle erkennbar. Klarheit über die Gesamtgröße oder die Art der Anlage ergab sich jedoch nicht.

Abb. 2: Ergebnis der ersten Befliegung durch Archaeoflug. Ein Streifen von 45 x 150 m Weizen zeigt erstmals die große Ausdehnung der Fundstelle. Links: Luftbild, rechts: Ausschnitt mit Umzeichnung.

Eine Zusammenstellung der bis zum Herbst 2014 vorliegenden Erkenntnisse zeigt die Umzeichnungen der einzelnen Luftbildbefunde aus Google Earth (GE), der CD-ROM-Serie des LVERMA (CD) und der Luftbildprospektion 2014 durch Archaeoflug (AF) (Abb. 3).

Abb. 3: Von links nach rechts: Umzeichnung der einzelnen Luftbildbefunde in der Abfolge ihrer Entdeckung.

Die streifenförmige Zergliederung der fundverdächtigen Gesamtfläche in mindestens neun Flurstücke und die unterschiedliche Art der angebauten Frucht (siehe Abb. 2) führte zu einem lückenhaften und daher schwer zu interpretierenden Ergebnis. Die Aussicht auf eine Vervollständigung der Luftbildbefunde auf den noch fehlenden Flurstreifen − zwei davon waren Pferdekoppeln, auf zwei weiteren wurden Pfingstrosen und Rüben angebaut − war gering, da deren Bewuchs für Luftbildbefunde ungeeignet ist. Um die Gesamtausdehnung und die Art der Bebauung erfassen zu können, wurde daher im Spätsommer 2014 entschieden, auf der gesamten Fläche eine geoelektrische Prospektion durchzuführen.
Für die erste Prospektion wurde zunächst ein grobes Messpunktraster von 1 m² gewählt. Diese Rastergröße gewährleistet eine relativ zügige Durchführung der Prospektion und stellt gleichzeitig die Erfassung aller großflächigen Strukturen sicher. Darauf aufbauend sollte ausschließlich über den erkannten Strukturen eine Detailerfassung im 0,25 m² Raster durchgeführt werden.

Auf einem Areal von ca. 200 x 200 m wurden von Mitte August bis Ende November 2014 an 16 Messtagen ca. 40.000 Messpunkte eingemessen und erfasst (Abb. 4).

Abb. 4: Gesamtplan der ersten geoelektrischen Prospektion. Die gewählte Rastergröße von 1 m2 / Messpunkt gewährleistet die Erfassung der großflächigen Strukturen und zeigt deren Lage im Zusammenhang.

Die Auswertung der Messdaten (siehe Abb. 5) lässt vier unterschiedliche Strukturbereiche erkennen:

Deutlich zu sehen ist im oberen, überwiegend linken Teil des Messbildes zunächst ein ca. 100 m langer horizontal verlaufender erster Strukturbereich. Im Wesentlichen besteht er aus zwei annähernd parallel verlaufenden mutmaßlichen Mauerzügen (a und b), wobei der untere (b) in seinem Verlauf untypisch abknickt. Im linken Bereich dieses Komplexes befindet sich unterhalb des parallel laufenden vermuteten Mauerabschnitts eine rechtwinklige Struktur (c). Diese findet nach rechts jedoch keinen sichtbaren Abschluss. Links ist der Befund von einem Bereich mit einem erhöhten elektrischen Widerstand umgeben (d). Auch über der oberen horizontal verlaufenden Struktur (a) scheint im rechten Bereich eine weitere mutmaßliche Mauer (e) parallel zu verlaufen. Am oberen Bildrand ist eine letzte, sehr schwach ausgebildete Linie (f) erkennbar, die nach rechts über die gesamte Prospektionsfläche hinweg beobachtet werden kann.

Rechts des ersten Strukturbereiches zeigt die Prospektion einen ca. 60 x 40 m messenden, rechteckigen zweiten Bereich (Rechteck F). Hauptsächlich sind hier rechteckige Flächen verschiedener Größe (g) mit erhöhten Widerständen erkennbar, bei denen es sich um Fußböden oder Schuttansammlungen handeln könnte. Die möglichen Mauerstrukturen (h) sind innerhalb der Gesamtfläche dagegen nur vereinzelt beobachtbar.

Der dritte Strukturbereich umfasst eine Fläche von etwa 40 x 30 m. Hier sind zum Teil rechteckige (i), mitunter auch sehr unförmige (j), flächige Strukturen (Fußböden? Schutt?) sowie mögliche, horizontal verlaufende Mauern (k) erkennbar. Der gesamte Bereich hebt sich deutlich von der ihn umgebenden Fläche ab.

Dem vierten Strukturbereich ist das vermutete Leitungssystem zuzuordnen. Außer einer möglichen Wasserleitung unterhalb der Mauerstruktur (c) scheinen alle anderen zum dritten Strukturbereich hin bzw. von diesem weg zu laufen (Abb. 5).

Abb. 5: Flächenkartierung der vier Strukturbereiche aus der ersten geoelektrischen Prospektion.

Wie geplant, wurde im Anschluss an die erste geoelektrische Prospektion auf den nun erkennbar bebauten Flächen eine zweite Messung im 0,25 m2-Raster durchgeführt. Wegen des bereits fortgeschrittenen Bewuchses war es im Frühjahr 2015 jedoch nicht möglich, alle Bereiche zu prospektieren. Die geoelektrische Prospektion des dritten Strukturbereiches musste auf einen späteren Zeitpunkt (Herbst 2015) verschoben werden. Zwischen Jahresende 2014 und Mitte April 2015 wurden an 15 Messtagen weitere 58.400 Messpunkte eingemessen und erfasst (Abb. 6).

Abb. 6: Gesamtmessbild der zweiten geoelektrischen Prospektion.

Das Ergebnisbild der zweiten Messung (0,25 m² Raster) zeigt bezüglich Gesamtausdehnung und Art der Bebauung keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Ein Vergleich mit der ersten Prospektion zeigt, dass die zweite Messung naturgemäß im Detail mehr Information bietet. Sowohl die recht undeutlichen Befunde im zweiten Strukturbereich (Abb. 5 F) als auch die Existenz der bereits im Luftbild des Vorjahres 2014 erkennbaren Strukturen (Abb. 2) zwischen dem zweiten und dritten Strukturbereich finden in der zweiten geoelektrischen Prospektion ihre Bestätigung (Abb. 7; 8).

Abb. 7: Ergebnisvergleich der beiden geoelektrischen Prospektionen im zweiten Strukturbereich. Die mutmaßlichen Fundamente und flächigen Strukturen zeichnen sich im 0,25 m2-Raster (rechts) deutlich besser ab.

Abb. 8: Vergleich der beiden geoelektrischen Prospektionen zwischen dem zweiten und dritten Strukturbereich. Die aus der Luftbildprospektion 2014 bekannten Strukturen sind im 0,25 m2-Raster (rechts) deutlicher zu erkennen.

Im späten Frühjahr 2015 wurde die Fundstelle nochmals luftbildarchäologisch prospektiert. Dabei konnte die Frage nach der abknickenden vermuteten Mauer (b) im Strukturbereich 1 beantwortet werden. Das Luftbild zeigt, dass es sich bei der abknickenden Struktur nicht um eine Mauer, sondern um ein Teilstück eines an dieser Stelle verlaufenden alten Weges handelt. Ob das zur mutmaßlichen Mauer (a) parallel verlaufende Teilstück dieser Struktur (b) ebenfalls ein Teil des Weges und keine Mauer ist, bleibt vorerst unbeantwortet (Abb. 9).

Abb. 9: Die abknickende mutmaßliche Mauerstruktur im Bereich 1 erweist sich im Luftbild des Frühjahres 2015 als Teilstück eines alten Weges.

Für ein Zwischenergebnis (Stand Mai 2015) wurden die Erkenntnisse aus den Luftbildern und den geoelektrischen Prospektionen in einer Gesamtumzeichnung zusammengefasst (Abb. 10). Als erste Arbeitshypothese bietet sich zur Zeit folgende Interpretation an:
Bei dem in Abb. 10 umgezeichneten Bereich 1 könnte es sich wegen der gänzlich fehlenden Innenaufteilung um den Wirtschaftsbereich der Anlage handeln.
Aufgrund der diffus erkennbaren Raumstrukturen bildet der Strukturbereich 2 zusammen mit der Fläche zwischen den Bereichen 2 und 3 zur Zeit den einzigen Bereich, an dem das Herrenhaus zu vermuten ist.
Mit großer Wahrscheinlichkeit kann für den Bereich 3 eine Anlage angenommen werden, die Wasser benötigte. Dies dokumentieren die hier fassbaren mutmaßlichen Kanäle. Eine Interpretation als Badeanlage oder ein entsprechender Wirtschaftsbereich ist durchaus tragbar.

Abb. 10: Gesamtplan: Umzeichnungen der in den Luftbildern und geoelektrischen Prospektionen erkennbaren Strukturen.

Das dokumentierte Prospektionsergebnis lässt zur Zeit eine zuverlässige funktionale und zeitliche Einordnung der sichtbaren Strukturen nicht zu. Insbesondere die Position des ehemaligen Herrenhauses ist nicht sicher zu lokalisieren. Jedoch lassen die Beobachtungen auf eine repräsentative Villa schließen, die hinsichtlich der Bausubstanz und Ausdehnung weit über dem regionalen Rahmen liegt. Letztlich können aber nur Grabungen und weitere Prospektionen helfen, die offenen Fragestellungen zu lösen.

Im Sommer 2015 wurden die vorliegenden Prospektionsergebnisse der Gemeinde Flonheim übergeben. Es bleibt zu wünschen, dass der Gemeinde Flonheim die Bewahrung des geschichtsträchtigen Areals durch eine Unterschutzstellung gelingt und das Bodendenkmal, das weit über den lokalen Bezug hinaus an Bedeutung gewinnen könnte, einen würdigen Platz in der reichen Ortsgeschichte findet.

Zuerst veröffentlich in:
Kiesow, U.: Prospektion einer römischen Siedlungsstelle bei Flonheim, in: Archäologie in Rheinhessen und Umgebung e. V. (Hrsg.): Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung, Jg. 8, Mainz 2015, S. 63ff.

Weiterführende Links:

Geoelektrische Prospektion


Messprinzip - Messvorbereitung - Messvorgang
Messergebnis - Verarbeitung - Nachbearbeitung
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