Die Palastvilla von Nennig im Saarland

Die römische Palastvilla von Nennig, 40 km südlich von Trier im Saarland, gilt als bezeichnend für die terrassierten Villen, die in römischer Zeit die Mosellandschaft dominierten. Von der ehemals beeindruckenden Architektur sind nur wenige Fundamente sichtbar erhalten. So fällt es schwer, sich an Hand des heutigen Baubestandes die damalige Größe der Anlage, ihre architektonischen Besonderheiten und ihre landschaftsbestimmenden Wirkung in römischer Zeit vorzustellen.

Bild 1: Ansicht von der Mosel auf die Palastvilla Nennig.

Schaute man in römischer Zeit von der Mosel aus in Richtung des heutigen Nennig, konnte man am Hang liegend die ca. 650 m lange imposante Villenfront erkennen. Diese bestand aus einem Mittelbau mit separaten, weit vorspringenden Seitenflügel (ca. 140 m), zwei seitlich vorgelagerte Wandelhallen (jeweils ca. 250 m) und einem Badegebäude. Von der Mosel aus führte wahrscheinlich  eine von Bäumen flankierte Straße durch den Wirtschaftsbereich zu einer Toranlage,  dem Eingang zum Herrschaftsbereich der Villa.

Bild 2: Hauptgebäude, Wandelhallen, Bad

Die Villa Nennig zählt zu den Axialvillen (Bild 1). Sie war in einen Herrschaftsbereich (pars urbana) und einen, mit einer Mauer abgetrennten, vorgelagerten Wirtschaftsbereich (pars rustica) gegliedert. Die gesamte Ausdehnung ist noch nicht bekannt; möglicherweise erstreckte sich die Gesamtanlage damals bis an die ca. 2 km entfernte Mosel (Bild 27). Leider ist die zugängliche Quellenlage nur unzureichend. Die Rekonstruktion orientiert sich daher an vorhandene Lagepläne und Ansichten sowie eigener Interpretationen und rekonstruktiver Freiheiten. 

Bild 3: Villa Nennig.

Bild 4: Ansicht auf die Rückseite.

Dem Hauptgebäude mit Eckresaliten und einer dazwischenliegenden angenommenen zweigeschossigen Portikusfront, waren seitlich je ein mehrgeschossiges Gebäude (Seitenflügel) vorgelagert. Eine umlaufende Portikus verband beide Seitenflügel mit dem Hauptgebäude.

Bild 5: Blick aus der Wandelhalle auf die Frontfassade.

Bild 6: Frontfassade des Hauptgebäudes.

Bild 7: Frontfassade mit zweigeschossigen Portikus.

Bild 8: Schutzbau über dem Mosaikfußboden. Der damaligen Eingangshalle nachempfunden.

Bild 9: Frontansicht

Die Villa von Nennig wäre heute möglicherweise nur eine archäologische Randnotiz. Dass das nicht der Fall ist, liegt an dem imposanten Mosaikboden, der 1852 von einem Landwirt zufällig entdeckt wurde und zu Ausgrabungen auf dem damaligen Villengelände geführt hat. Er ist das größte und besterhaltene römische Fußbodenmosaik nördlich der Alpen und kann noch heute am originalen Fundort besichtigt werden. Das 161 m² große Mosaik gehört zur Innendekoration einer Empfangshalle, dem zentralen Eingang zum Villengebäude. Es ist von hoher handwerklich und künstlerische  Qualität und besteht aus 3 Millionen Mosaiksteinchen.

Bild 10: Mosaikfußboden mit Wasserbecken.

Bild 11: Eingangshalle 

Das in hervorragender Qualität  gearbeitete Fußbodenmosaik,  mit einem oktogonalen Marmorbecken, besteht aus einem Rahmenwerk von geometrischen Mustern, Rhomben, Sterne, Pflanzenblüten, teppichartige Friesen und Flechtbänder. Darin eingebettet waren acht, heute noch sieben farbige oktogonalen Medaillons und ein großes quadratische Feld, die alle Szenen aus einem Amphitheater enthalten. Das erste Oktagon im Eingangsbereich war nicht mehr erhalten und ist im 20. Jhd. durch eine Widmung ersetzt worden. 1874 wurde über dem Fußbodenmosaik ein Schutzbau errichtet. Wie schon zur römischen Zeit kann man das Mosaik von einem Rundgang aus dem zweiten Stock bewundern.


Der Mosaikumrandung in den Rekonstruktionen (Bild 11, 13,14) entspricht nicht dem originalen Mosaikfries.

Bild 12: Panther von einem Bestiarius getroffen.

Bild 13: Eingangshalle mit Säulenrundgang

Bild 14: Eingangshalle. Aufgang zum Säulenrundgang.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Neben dem unbestreitbar künstlerischen Wert, erstaunt die Themenwahl des Mosaiks im Eingangsbereich der Villa. Betrat ein Besucher die Eingangshalle war er mit den Abbildungen konfrontiert, die neben der Ästhetik zwangsläufig innere Bilder von Wahrnehmungserfahrungen der realen Sache (Gladiatorenkämpfe) in ihm weckte. Gladiatorenkämpfe dienten der Publikumsunterhaltung, waren menschenverachtend, in der Regel blutrünstige Spektakel und hatten viel mit Unterwerfung und Tod zu tun. Eine Thematik die verstörend wirkt und für den privaten Bereich wenig passend erscheint. Die nonverbale Kommunikationsabsicht des Auftraggebers ist daher aus heutiger Sicht nur schwer zu verstehen. An mangelnden Motivalternativen hat es sicher nicht gelegen.

Bild 15: Rechts und links von der Empfangshalle waren im Haupthaus offene Innenhöfe gruppiert. Hier die zwei Innenhöfe auf der linken Seite.

Bild 16: Nördlicher Innenhof (Säulenhof).

Bild 17: Nordöstlicher  Innenhof mit Wasserbecken.

Bild 18: Nordöstlicher Innenhof .

Bild 19: Südwestlicher Innenhof.

Bild 20: Südwestlicher Innenhof.

Ein ca. 500 m² großes Badegebäude lag ungefähr 250 m südlich vom Hauptgebäude entfernt. Es besaß ein 65 m² großes Schwimmbecken und sieben Räume, davon fünf apsidial geformt und drei mit Hypokaustenheizungen. Zwischen dem Hauptgebäude und dem Bad erstreckte sich ein 8 m breiter und ca. 250 m langer Wandelgang, beginnend und endend mit einem runden Pavillon von 12 m Durchmesser. Ein baugleiches Gegenstück befand sich an der linken Villenseite. Die Höhe der Wandelgänge ist nicht bekannt. Möglicherweise ist die Höhe der Rekonstruktion, schon aus ästhetischen Gründen, zu niedrig angesetzt. Neben ihrem praktischen Nutzen dienen die Wandelgänge wahrscheinlich auch zur optischen Verlängerung der Villenfront. Es ist zu vermuten, dass die Demonstration von Status und Macht dem damaligen Besitzer ein großes Anliegen gewesen ist.

Bild 21: Herrschaftsbereich (pars urbana).

Bild 22: Badegebäude.

Bild 23: Blick aus der Wandelhalle auf das Badegebäude.

Südwestlich des Bades, in Sichtweise zur Villa, liegt in einem 94 x 100 m großen Mauergeviert ein römischer Grabtumulus, als sichtbarer Teil eines größeren Grabareals. Der sogenannte „Mahlknopf“, welcher dem Grab des Kaisers Augustus in Rom nachempfunden sein soll, hat einen Durchmesser von 44,5 m und besitzt einen mannshohen gemauerten Sockel. Die rekonstruierte Höhe beträgt ca. 10 m.

Bild 24: Ansicht von Osten mit Grabtumulus.

Bild 25: Grabtumulus.

Bild 26: Portikus im Eingangsbereich des Haupthauses.

Bild 27: Ansicht von Osten auf die Mosel.

Weiterführende Links:

Palastvilla Nennig

Ausgewählte Rekonstruktionen

Stand: 2012

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archaeoflug 2012


www.archaeoflug.de