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Grubenwerk als Massengrab - Herxheim

Luftbild:  Grabungsstelle in Herxheim/Pfalz (2007)

Im südpfälzischen Ort Herxheim wurde beim Bau eines Möbelhauses die Reste eines jungsteinzeitlichen Großbestattungsplatzes gefunden. Die Fundstelle wird zur Zeit vom archäologischen Denkmalamt Speyer unter der Leitung von Frau Dr. Andrea Zeeb-Lanz ausgegraben. Die sensationelle Entdeckung ist von elementarer archäologischer Bedeutung und hat national und international große Beachtung gefunden. Noch nie hat man einen vergleichbaren Fund aus der Zeit der Bandkeramik oder einer anderen vorgeschichtlichen Kultur gemacht.

Vor ca. 7000 Jahren stand auf der Grabungsfläche eine Siedlung von den zu dieser Zeit hier lebenden Steinzeitmenschen. Um ihr Dorf herum haben diese Menschen unzählige tiefe Gruben angelegt, um ihre Toten rituell zu begraben. Die Toten wurden scheinbar vor der Grablegung in kleine Teile zerlegt und teilweise auch noch weiter zerkleinert. Die Leichenteile wurden anschließend auf einzelnen Gruben verteilt. In ihnen finden sich heute die verschiedensten Skelettreste, aber auch Ansammlungen von Arm- oder Beinknochen unterschiedlicher Menschen. 

Bisher konnten mehr als 450 Schädel gefunden werden. Die Archäologen gehen aber davon aus, dass auf dem gesamten Areal die Überreste von etwa 1200 Menschen zu finden sind. Lässt sich die Vermutung bestätigen, würde das bedeuten, dass die Toten nicht nur von dieser Siedlungsstelle stammen können, sondern aus dem näheren oder weiteren Umland. Der Bestattungsplatz war vielleicht ein steinzeitlicher Kultort, der damals auch überregional von herausragender Bedeutung gewesen war.

Lesen Sie dazu auch einen ausführlichen Beitrag unter dem nachfolgenden Link:

http://www.swr.de/regionen/pfalz/herxheim/-/id=3378/nid=3378/did=1681602/zgabtw/index.html

Ein Resümee nach 13 Jahren Grabungsarbeit – Erkenntnisse und neue Fragen

Vor 13 Jahren wurde im Gewerbegebiet West von Herxheim (Südpfalz) der erste Schädel gefunden. Im Sommer 2008 endete nun die Ausgrabung an der 7000 Jahre alten linienbandkeramischen Grubenanlage.
Gerade die neuen Funde haben einiges von dem über den Haufen geworfen, was die Archäologen bisher in die rituelle Begräbnisstätte hineingedeutet haben.
Klar ist jetzt: Die Knochen stammen alle von frischen Leichnamen und wurden nicht – wie ursprünglich angenommen – aus früheren Gräbern aus nah und fern umgebettet und erst in Herxheim zerlegt. Die Schnittspuren an den Knochen zeugen davon, dass die Körper systematisch vom Fleisch befreit und wie Tiere zerlegt wurden, die man essen will. Der Priester als Metzger?
Was macht man mit solchen Mengen Menschenfleisch? Immerhin fand man in Herxheim schon die Überreste von über 600 Menschen – und längst ist nicht alles ausgegraben. Dabei kann die Siedlung vor ca. 7000 Jahren nicht mehr als ein paar Dutzend Einwohner gehabt haben. Wurde das Fleisch den Vögeln vorgeworfen wie in den Geierhöfen Vorderasiens? Wurde es vergraben oder verbrannt?
Genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Viel wird derzeit unter Fachleuten diskutiert und spekuliert, sagt die Archäologin Andrea Zeeb-Lanz. Kannibalismus etwa? Zu einem Zeitpunkt da der Mensch in Mitteleuropa den ersten Schritt in die Zivilisation tat und aufhörte, rastlos durch die Wälder zu streifen, soll er seine Verwandten aufgegessen haben? „Warum sonst wurde das Fleisch so sorgfältig von den Knochen geschält?“, fragen sich die Forscher. „Wenn Kannibalismus, dann als ritueller Ahnenkult“, betont Zeeb-Lanz, „einen anderen dürfte es zu jener Zeit nicht gegeben haben.“
Doch es sind auch andere Meinungen im Gespräch. Möglich sei etwa, dass die Menschen das Fleisch abgeschält haben um an die Knochen zu gelangen. „Und um die ging es ja, wie die vielen sorgfältig behauenen Schädel zeigen, von denen nur die Kalotten bestattet wurden.“ Ungeklärt ist, ob die vielen Knochen von einem einzigen großen Kultfest stammen oder über Jahre beziehungsweise Jahrhunderte abgelegt wurden.
Und dann sind da auch die vielen Tonscherben. Sie gaben dieser neolithischen Kultur ihren Namen: Linienbandkeramikkultur. Die Linienbandkeramiker stellten noch ohne Drehscheibe Tongefäße her und ritzten rund herum Streifenmuster ein. Aber warum zertrümmerten sie die so kunstvoll verzierten Töpfe? Warum verfielen sie in einen solchen Blutrausch, nachdem ihre Ahnen noch im Vollbesitz ihrer fleischlichen Hülle in der traditionellen Hockerstellung begraben wurden? „Den Sinn dieses Rituals und welchen Glaubensvorstellungen die Menschen dabei hegten, das werden wir nie genau entschlüsseln können“, sagt die Archäologin.“ Dazu müsste man mit den Menschen selbst sprechen können.“
Doch schon jetzt hat die Entdeckung der rituellen Grubenanlage in Herxheim die Forschung zur Steinzeit revolutioniert. Zuvor ging man davon aus, dass es zum Ende der in ganz Mitteleuropa verbreiteten Bandkeramikkultur zu einer Ressourcenknappheit durch den Klimawandel gekommen ist. Die Herxheimer Skelette aber widerlegen sowohl Hungersnot als auch Krieg: Alle Schädelverletzungen sind noch vor dem Tod gut verheilt gewesen, auch von Mangelernährung ist keine Spur. Gruben mit etlichen Erschlagenen bei Heilbronn und in Niederösterreich hatten diese Theorie genährt. „Doch zwei grausame Massaker können nicht der Beweis für ein gewaltsames Ende der gesamten Bandkeramik sein“, sagt Andrea Zeeb-Lanz. „Auf den Kopf schlagen ist ziemlich beliebt in der gesamten Vorgeschichte.“
 

Nach: Möthrath, Birgit, Herxi - ein Pfälzer Kannibale?, Die Rheinpfalz am Sonntag, 13. Juli 2008, 5.

archaeoflug 2007/10


Weiterführende Links:

Das Rätsel von Herxheim

Filmbeitrag vom SWR (29 Minuten)

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Rekonstruktion

Rekonstruktionsversuch der linienbandkeramischen Grubenanlage in Herxheim (Pfalz)

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Kannibalismus in der Pfalz
Menschen wurden wie Schlachtvieh zerlegt und gegessen.

SPIEGEL ONLINE und  WELT ONLINE  berichteten über die aktuellen Forschungsergebnisse (Stand: 07. Dezember 2009).

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DFG - Projekt
Siedlung und Grubenanlage Herxheim bei Landau

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Neolithikum - Bandkeramik

Langhaus der Linearbandkeramik

Rekonstruktion

 

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